Einstweiliger Rechtsschutz bei Geheimnisverrat – gar nicht so einfach!  

Am 26. April 2019 trat mit großem Brimborium das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung in Kraft. Viel hat man sich von diesem Gesetz erhofft: Eine Zusammenführung der verschiedenen Rechtsquellen, eine einfachere Rechtsverfolgung und effektiverer Rechtsschutz waren oft zu lesen.

Inzwischen macht sich Ernüchterung breit. Gerichtliche Eilverfahren zur Verhinderung von Geheimnisverrat scheitern immer wieder auf Grund unterschiedlicher Anforderungen an die Antragsfrist: Manche Gerichte verlangen wenige Wochen, andere sind großzügiger.

Praxistipp:
Stellen Sie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz so rasch wie möglich nach Entdeckung der Weitergabe von Geheimnissen!

Inzwischen liegt eine zweite obergerichtliche Entscheidung vor, und zwar vom Oberlandesgericht Frankfurt. Dessen Beschluss vom 27.11.2020 (Az. 6 W 113/20) ist hier online abrufbar: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000103

Der Ausgangsfall: Ein Mitarbeiter kündigte bei seinem Unternehmen und wechselte zu einem Wettbewerber. Zuvor exportierte er geheime Daten auf einen Datenträger, lud weitere auf ein externes Netzwerk hoch und versandte Daten schließlich an seine private Mailadresse und den Geschäftsführer eines Wettbewerbers, bei dem er bereits einen Anstellungsvertrag unterschrieben hatte.

Das OLG Frankfurt stellt zwar keine hohe Anforderungen an die „Dringlichkeit“, also den Zeitraum zwischen Entdeckung des Geheimnisverrates und der Antragstellung. Die Überraschung ist jedoch, dass sich ein Empfänger von Geschäftsgeheimnissen mit der einfachen Erklärung, er werde die Geheimnisse nicht nutzen oder offenlegen, aus der Affäre ziehen kann!

Das OLG Frankfurt zieht dazu eine Rechtsprechung des BGH heran, die allerdings zu ganz anderen Sachverhalten im Markenrecht ergangen ist.

Praxistipp:
Achten Sie darauf, ob der Gegner bereits erklärt hat, er werde die Geheimnisse weder nutzen noch weitergeben. Wenn sich diese Rechtsprechung verfestigt, hat ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dann keine Aussicht auf Erfolg mehr.

Und für Anwälte: Grundsätzlich sollte der Antrag nicht nur auf Erstbegehungsgefahr, sondern auch auf Wiederholungsgefahr gestützt werden.

Im vorliegenden Fall hatte ein ausgeschiedener Mitarbeiter bereits Dateien an seinen privaten Mail-Account gesendet und an einen Wettbewerber übermittelt. Die zweite Überraschung im Gerichtsbeschluss: In diesem Fall soll keine Erstbegehungsgefahr vorliegen, außer es würden „objektiv ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, dass der Wettbewerber die ihm zugesandten Geheimnisse rechtswidrig nutzen werde.

Das OLG Frankfurt will Rechtsschutz also erst gewähren, wenn die an einen Wettbewerber übermittelten Geheimnisse dort nachweislich „genutzt“ wurden oder eine solche Absicht des Wettbewerbers nachgewiesen werden kann!

Praxistipp:
Ehe Sie einen Eilantrag stellen, überlegen Sie genau, welche Indizien Sie für eine missbräuchliche Nutzung der Geheimnisse benennen können!

Die dritte Überraschung: Der Versand einer e-Mail mit Geheimnissen an Dritte soll nicht ausreichen, weil der Empfänger schon irgendeine Aktion getätigt haben müsse. Oder man müsse ihm nachweisen, dass er die Geheimnisse empfangen wollte. Wenn der untreue Mitarbeiter also Firmengeheimnisse an einen Wettbewerber versendet, soll das nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht für einen Unterlassungsanspruch ausreichen!

Praxistipp:
Diese Entwicklung der Rechtsprechung gilt es genau zu beobachten, ansonsten lässt sich einstweiliger Rechtsschutz bei Geheimnisverrat in Zukunft erst erlangen, wenn es schon zu spät ist.

Nachvollziehbar ist ein weiterer Grund, aus dem der Antrag zurückgewiesen wurde: Die Antragsteller hatten die zu schützenden Geschäftsgeheimnisse nicht hinreichend bezeichnet. Die bloße Aussage, es seien Geschäftsgeheimnisse offenbart worden, genügt natürlich nicht! Insoweit ist der Gerichtsbeschluss nachvollziehbar.

Praxistipp:
Bezeichnen Sie die offenbarten Geschäftsgeheimnisse so genau wie möglich. Es muss nicht das Geheimnis selbst im Antrag stehen, aber z.B. „der Quellcode mit Entwickler-Kommentaren für die xyz-Software“

Unser Fazit:
Dieses Urteil errichtet sehr hohe Hürden. Es ist im einstweiligen Rechtsschutz ergangen, bei dem keine große Prüfungstiefe verlangt wird. Trotzdem ist für Sie wichtig zu wissen: Wenn in Zukunft Mitarbeiter Geheimnisse verraten, muss man bei gerichtlichem Vorgehen sehr genau vortragen.